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Raymond TRIQUET, France
Universitätsdozent im Ruhestand der Université Lille III,
ehem. Präsident der FCI-Standardkommission
Übersetzung: F. Brune
Es wird oft genug gesagt, dass der Hund schon immer der Helfer des Menschen war
und auch in diesem Sinne gezüchtet wurde. Für die Jagd, die Bewachung und viel später
für das Hüten der Herde, die Bewachung von Haus, oder Hof, und die Begleitung –
der Hund tröstet den Menschen über sein Menschsein hinweg. Der Ausspruch „der Hund
liebt den Menschen“ lässt sich nicht ohne sein Gegenstück begreifen: „der Mensch
liebt den Hund“ und das ist die Grundbedeutung des Begriffs Hundeliebhaber.
Buchmalerei von Gaston Phoebus
(Livre de Chasse)
Die Liebe, die der Mensch dem Hund entgegenbringt ist jahrhundertealt und die Antwort
auf die Anhänglichkeit, Treue und unerschütterliche Ergebenheit des Hundes gegenüber
seinem Herrn. Bereits im 12. Jhd. teilte der in Frankreich lebende Florentiner Brunetto
Latini die Hunde in Groß und Klein ein (ein Organisationsversuch) und besang die
Liebe, die der Hund uns entgegenbringt: „Von allen Tieren liebt der Hund den Menschen
am meisten“ (Le Livre du trésor - dt.: Das Buch vom Schatz).
Mitte des 14. Jh. erkennt Henri de Ferrières, Herr von Gisors, bereits ein versierter
Jagdstratege, die Vorzüge des Hundes an: „Oh, sieh nur, Mensch, des Hundes Herzensgüte
geht über die deinige“.
Es gibt wohl nur wenige Loblieder, die so ergreifend sind und die noch heute alle
Hundeliebhaber bewegen, wie die Zeilen, die Gaston Fébus (Gaston III. von Foix-Béarn,
1331-1391) Ende des 14. Jh. in seinem Jagdbuch, Livre de chasse, niederschrieb,
von dem es laut Tilander weltweit 44 prachtvoll illuminierte Manuskripte gibt:
Es ist das edelste, vernünftigste und intelligenteste Tier, das Gott je geschaffen
hat (…) Der Hund ist seinem Herrn treu und seine Zuneigung ist gut und aufrichtig
(…) Hunde sind so ergebene Tiere, dass es kaum einen Menschen gibt, der nicht einen
Hund für diesen oder jenen Dienst haben möchte. Hunde sind mutig, sie zögern nicht,
das Haus ihres Herrn zu verteidigen, sein Vieh zu hüten und alles, was seins ist,
bis zum Tod.
Gaston Fébus wusste, wovon er sprach: er besaß 1.600 Hunde. Die Jagd ist schon nicht
mehr der einzige „Dienst“, den der Hund erweist. Er ist seinem Herrn bis zum Tode
ergeben und sein Herr erkennt die guten Eigenschaften des Hundes an und liebt ihn
dafür. Das Wort ist nun gefallen und der bekannte Chronist Froissart, der von Fébus
an dessen Hof sehr zuvorkommend empfangen wurde, schrieb dazu:
Von allen Tieren am liebsten war ihm der Hund
Und im Feld war er, Winter wie Sommer, zu jeder Stund‘.
Das Bündnis zwischen Mensch und Hund, das vor längst vergangener Zeit geschlossen
wurde, entwickelt und bereichert sich im Laufe der Jahrhunderte. Die Hunde stehen
im Dienste von Fébus und Fébus steht ihnen zu Diensten, da er über die Jagdmethoden
hinaus auch Auskunft und Rat zur Pflege und Ernährung gibt, zu Heilmethoden, zur
Hygiene und zur Kunst des Zwingerbauens: „Der Zwinger sollte zehn Klafter lang und
fünf Klafter breit sein“ (ein Klafter entspricht knapp zwei Metern) „und sollte
einen schönen Hof haben, von dem aus die Sonne den ganzen Tag sichtbar ist“. Kann
man heute einen klügeren Rat geben? Das Jagdbuch ist das Werk eines Vorreiters.
Die Historiker sind der Ansicht, dass das Mittelalter keine „rückständige Epoche“
war, wie in der Vergangenheit oft geglaubt wurde, sondern eine „Gründungsepoche“.
Das ist hier der Fall. Wie der Fébus-Spezialist Tucoo-Chala von diesem „großen Fürsten
des Abendlandes“ sagt: „jahrhundertelang wurde aus seinem Werk ohne Unterlass abgeschrieben,
aber es wurde niemals übertroffen“. Dies ist zweifellos wahr, auch für Jacques du
Fouilloux und sein bekanntes Werk Vénerie (Hetzjagd) aus dem Jahr 1573.
La Vénérie von Jacques Du Fouilloux, Charles Lebossé, Angers, 1844, S.74
Nach der Beschreibung des Jagdwilds, vom Hirsch bis zum Otter über Hase und Bär,
deren „Wesen“ und Verhalten, auch wenn das Wort noch nicht existiert, lehrt Fébus
auch die Kunst des Jagens und kommt schließlich zu den Hunden. Er beschreibt den
Alant, möglicher Vorfahr der Dogge, dessen Name im Französischen erst 1406 auftaucht
als Beleidigung der Engländer (dog) gegenüber den Franzosen und schließlich 1480
um einen Hund „aus England“ zu bezeichnen (Trésor de la langue française, Bd. 7).
Er unterteilt die „spanischen“ Alants in drei Kategorien. Die Alants gentils (nicht
im Sinne der modernen Bedeutung „freundlich“, sondern „adliger Herkunft“) sind „gerade
gebaut, wie ein Windhund“, aber der Kopf „sollte breit und kurz sein“ (das Verb
„sollte“ zeigt, dass es sich um eine Norm handelt, Fébus schafft somit regelrechte
Standards, und dass es bereits „kurze Köpfe“ gibt). Die Alants veautres jagten Wildschweine,
ihr Name bezieht sich auf das Verb „suhlen“ (vautrier oder vautrer). Die Alants
de boucherie sind günstig zu ernähren, „da sie die Abfälle der Fleischereien fressen“.
Zu Fébus‘ Zeit sind die Fleischereien (boucheries) auch Schlachthöfe (ursprünglich,
der Ort, an dem man die Ziegenböcke (boucs) schlachtete).
Buchmalerei von Gaston Phoebus
(Livre de Chasse)
Die Laufhunde werden sehr sorgfältig nach ihrer „Art“ zu jagen beschrieben: die,
die „sich so beeilt haben, dass sie außer Atem sind“, die, die „langsam jagen“,
aber „den ganzen Tag lang“, die, die „mit der Nase im Wind jagen und die anderen
mit tiefer Nase“. Fébus gibt ihnen keine Namen, da er unsere heutige Auffassung
des Rassebegriffs nicht die seinige war, aber der heutige Pikör erkennt wohl seine
Rassen wieder. Unsere Wendungen sind bereits präsent: „der Laufhund muss schön und
gut sein“ (bon et bel - heute: beau et bon). Sie haben „alle Schattierungen“, aber
die meisten sind schwarz „catruillé“. Schon damals gibt es diese Bezeichnung, die
die heutigen Jäger gerne über die Hunde der Gascogne hören, gemeint ist der Vieräugelfleck
(„quatroeuillés“), da sie vier Augen haben. Im Jahr 2009 fordert die F.C.I., dass
folgender Vermerk in die Standards aufgenommen wird: „Nasenlöcher gut geöffnet“.
Fébus‘ Hunde, die von einem „guten Vater und einer guten Mutter abstammen“, mit
anderen Worten sorgfältig gezüchtet oder sogar „selektiert“ wurden, haben bereits
„große Nasenlöcher“. Bei den Wachtelhunden („chienz d’oysel“) und den spanischen
Hunden („espaignoulz“) finden sich die Begriffe von Schönheit und Güte wieder: „mit
weißem oder geflecktem Fell, das sind die schönsten“. Oft haben wir die Jagdhunde
mit unverhältnismäßig langen Fransen bemängelt. Fébus war uns darin weit voraus:
„er darf nicht zu behaart sein“ (auch hier ist die Verwendung von „sollen“ und „nicht
dürfen“ unseren heutigen Standards ebenbürtig). Die spanischen Hunde sollten nicht
zusammen mit den Laufhunden verwendet werden, da sie „streitsüchtig („rioteur“)
sind und viel bellen“. Fébus schreibt weiterhin: „er (der Wachtelhund) verursacht
den ganzen Aufruhr („riote“) und macht schlimme Sachen“. Riote im Sinne von Streit,
Krach und „unvernünftige Handlung“ (Trésor de la langue française) taucht im Französischen
im 12. Jhd. auf, ist heute jedoch nicht mehr gebräuchlich. Ein Rioteur war streitsüchtig.
Im heutigen Englisch ist riot (émeute) ein Aufstand, Aufruhr und rioter (émeutier)
ein Aufständischer, ein Unruhestifter. Die englischen Jäger verwenden den Ausdruck
run riot und das Verb riot für einen Hund, der sich von der Meute trennt (und einer
falschen Fährte folgt). Er schafft somit ein völliges Durcheinander. Das Wort und
der Ausdruck run riot, hunt riot tauchen im späten Mittelenglisch auf und kommen
aus dem Altfranzösischen. Welch schöner Wortaustausch zwischen Pikören, die dieselbe
Kunst ausüben! Im Übrigen stand Fébus in Beziehung zum berühmten Sohn von Edward
III., dem Schwarzen Prinzen, der den Südwesten Frankreichs verwüstete, Béarn jedoch
verschonte. Er bot an, ihm „ein wenig von seiner Wissenschaft“ in puncto Jagd zu
zeigen.
Der Mâtin ist weitverbreitet, da « jeder schon einen gesehen hat“. Sie hüten das
Vieh und das Haus (ostel) ihres Herrn, aber es sind „üble Hunde“ (hässlich, bissig).
Den kleineren Hütehund gibt es noch nicht. Dieser kommt erst um ca. 1700 aus Skandinavien
und England auf den europäischen Kontinent (laut Xavier de Planhol). Der Mâtin ist
ein Hüte- und Wachhund, kann aber auch, wie der Alant, ein „guter“ Hund „für Wildschweine,
Bären und Wölfe sein“, aber man sollte ihn nicht „groß erwähnen“. Er ist nämlich
ein ungehobelter Kerl. Er besitzt nicht den Adel des Lauf- oder Windhundes, deren
„Güte“ von „einem guten Vater und einer guten Mutter“ kommt und von einer guten
Abrichtung, da „man dafür sorgen kann, dass sie gut sind“. Das außerordentlich Moderne
ist auch die Beschreibung der Kiefer, die beide „aufeinander sitzen“. Weder darf
der Unterkiefer weiter über den Oberkiefer ragen, noch der Oberkiefer über den Unterkiefer.
Bereits im 14. Jh. erfolgt die Verurteilung der Prognathie und liefert somit den
Beweis, dass dieser Fehler schon existierte. Ebenso soll der Windhund eine mittlere
Größe haben, nicht zu groß, nicht zu klein. Extreme sollen vermieden werden, ein
Prinzip, das sich in einer Linie mit einer hundefreundlichen Zuchtauffassung befindet.
Die Beschreibung des Windhundes ist vollständig und ausführlich und berücksichtigt,
wie heute, alle Körperteile vom Kopf (mit der Einteilung „Zähne, Augen, Behang“)
bis zur Rute. Dabei vergisst er nicht, anzumerken, dass „eine etwas hohe“ Wirbelsäule
besser als ein flacher Rücken ist. Ist der Windhund nicht gewölbt? Fébus schafft
einen regelrechten Standard, der sogar noch weiter als unser heutiger Standard geht,
da auch die Hoden (klein und gedrungen) und der Penis (klein und kaum hängend) beschrieben
werden. Abschließend eine Lektion zum Jagdverhalten: „arrogant“ („despiteux“) zu
den wilden Tieren, aber höflich, freundlich, vergnügt und gehorsam mit seinem Herrn.
Es ist anzumerken, dass bereits im 12. Jh. avoir en despit „verachten“ bedeutete,
ein Begriff, der bei Buffon mit den „verachtungsvollen“ Hunden wieder auftauchen
wird.
Die anschauliche Beschreibung des Windhundes von Gaston Fébus wurde von anderen
Autoren oft wieder aufgenommen, genauso wie sein gesamtes Werk Livre de chasse,
das manche skrupellosen Verleger vollständig abschrieben. Der Kopf ist hechtförmig,
der Hals „gebogen, wie der eines Schwans“, die Füße gerade und rund „wie eine Katze“,
ein „Rattenschwanz“, etc. Im Jahr 1486 (Fébus stirbt 1391 und das erste Manuskript
datiert aus 1400) beschreibt die englische Schriftstellerin Dame Juliana Berners
in The Boke (book) of St. Albans einen guten Windhund:
heded like a Snake (der Kopf einer Schlange)
and necked like a Drake (der Hals einer Ente -
vielleicht aber auch zu der Zeit, der eines Drachens),
footed like a cat (die Füße einer Katze)
1486 ist lediglich das Jahr, in dem das Werk gedruckt wurde, verfasst wurde es zu
einem früheren Zeitpunkt. Dieser Abschnitt wird in unterschiedlichen Varianten bis
ins 19. Jh. zitiert.
Auch wenn das Verzeichnis der Hunderassen von Dame Berners einige Unklarheiten enthält,
ist sie doch der Beweis für die fest verankerte Existenz der Hunde im England der
zweiten Hälfte des 15. Jh.: Windhund (Grehound – die Bedeutung von gre ist
unbekannt, später wird daraus das Wort grey, jedoch ohne jeglichen Bezug
zur Farbe Grau), Mâtin (Mastyfe), Spaniel (Spanyell), Terrier (Teroures)
und die Bocheris houndes (die Fébus‘ Alants de boucherie in Erinnerung rufen).
Shakespeare hat sich von dieser Liste für die Passage in der bekannten sechsten
Szene des III. Akts von König Lear inspiriert:
Mastiff, greyhound, mongrel grim
Hound or spaniel, brach or lym
Or Bobtail tike or trundle-tail
Windspiel, Bullenbeißer, Jagdhund,
Bracke, Pudel, Dogg’ und Schlachtund
Lang- und Stumpfschwanz, all ihr Köter,*.
Die zweite Klassifikation, der sich England rühmt, ist die lateinische von Johannes
Caius (oder John Keys oder Kays, Gelehrter der Universität Cambridge und Hofarzt
von Elisabeth I.). Diese wurde 1570 veröffentlicht und von Fleming 1576 ins Englische
übersetzt: De Canibus Britannicus, Of Englishe Dogges.
Portrait von Johannes Caius
Caius unterteilt die damaligen Hunde in drei Gruppen: die, die zur Jagd dienen,
die für das Haus, darunter der Mâtin und der Schäferhund, und die „currishe kinde“,
gemeint ist die „Kanaille“ (das Hundepack), darunter „Spießdreher“ und andere Kläffer.
Interessanterweise wird die Verbindung zwischen Windhund und Hase, die im Französischen
mit lévrier und lièvre besteht, durch Caius bestätigt: „Leporarius“,
vom lateinischen lepus.
*Übersetzung von W.H.v.Baudissin, 1832